Siedlung Dessau-Törten

Siedlung Dessau-Törten

Während der Weimarer Republik gab es einen erheblichen Mangel an erschwinglichem Wohnraum. Um diesen zu beheben, beauftragte die Stadt Dessau im Rahmen des sogenannten Reichsheimstättengesetzes den Bau zur Siedlung Törten. Die Siedlung diente dem 1925 nach Dessau übersiedelten Bauhaus als Prototyp für einen preisgünstigen Massenwohnungsbau.

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Siedlung Dessau-Törten (1925–26), Architekt: Walter Gropius, Luftbild, 2008
© Stiftung Bauhaus Dessau / © (Gropius, Walter) VG Bild-Kunst, Bonn [Jahr] / Foto: Mainka, Steffen, 2008 Luftbild der Siedlung Törten, 2008

“Das neue Ziel wäre die fabrikmäßige Herstellung von Wohnhäusern im Großbetrieb auf Vorrat, die nicht mehr an der Baustelle, sondern in Spezialfabriken in montagefähigen Einzelteilen erzeugt werden [… und] sodann […] zu verschiedenen Haustypen zusammenmontiert werden können.” (Walter Gropius, 1924)

Die in drei Bauabschnitten errichtete Siedlung Dessau-Törten umfasste 314 Reihenhäuser mit Wohnflächen von 57 bis 75 Quadratmeter. Alle Häuser verfügten über Nutzgärten mit einer Fläche von 350 bis 400 Quadratmeter, zur Selbstversorgung durch Gemüse- und Obstanbau sowie Kleintierhaltung.

Die Konstruktion der Häuser folgte dabei der Notwendigkeit kostengünstig zu bauen. Das Büro Walter Gropius plante seine Siedlung auf einem, im Wesentlichen aus Sand und Kies, bestehenden Baugrund. Dies war für die Betonbauweise von Vorteil und half Transportkosten zu sparen. Die Baustelle selbst wurde wie eine industrielle Taktstraße organisiert. Spezialisierte Arbeitsbrigaden bauten gleichzeitig mehrere Häuser in einem Bauabschnitt. Dabei fertigte man vor Ort Bauteile, die man mit einer kleinen Bahn transportierte und mit Kränen bewegte. Tragende Wände wurden aus vorgefertigten Schlackenbetonhohlsteinen errichtet und die Decken aus armierten Stahlbetonträgern hergestellt. Für die Montage einer Zimmerdecke benötigte man nicht mehr als 45 Minuten.

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Übersichtsplan der Siedlung Dessau-Törten mit den verschiedenen Bauabschnitten
© Stiftung Bauhaus Dessau

In drei Bauabschnitten wurden drei verschiedene Grundtypen von Häusern umgesetzt – bezeichnet als SiTö I – SiTö IV. SiTö III kam nicht zur Ausführung. Sie unterscheiden sich in Grund- und Aufriss, Konstruktion und Ausstattung. Die hellen Kuben wurden zu Doppelhäusern und zu Gruppen von vier bis zwölf Einheiten zusammengefasst. Die Fassaden waren durch vertikale und horizontale Fensterbänder gegliedert. Im Inneren der Häuser setzte man auf eine helle Farbgebung. In einer von zwei Musterwohnungen wurden Bauhaus-Möbel für die Einrichtung angeboten, etwa von Marcel Breuer. Sie waren zu teuer.

Wohnen in der Siedlung Dessau-Törten sollte vor allem preiswert sein. Dies umzusetzen gelang jedoch erst Hannes Meyer mit den Laubenganghäusern.

Dass von der ursprünglichen Einheitlichkeit der Siedlung heute nur noch wenig zu spüren ist, liegt neben Planungs- und Baumängeln, auch an anderen Wohnvorstellungen. Fehlende Schallisolierung, mangelhafte Wärmedämmung und Kondenswasser beförderten den Umbau bereits kurz nach Gropius’ Weggang aus Dessau. Häuser erhielten eine zusätzliche Ziegelfassade, Stahlfenster wurden durch kleinere Holzfenster ersetzt, die Eingänge mit Vordächern versehen. Im Laufe der Zeit verschwanden die Trockentoilette, man modernisierte Haustechnik und Installationen. Zahlreiche Häuser erhielten Anbauten und Garagen. 1977 kam die Siedlung auf die Denkmalliste. Nach einer weiteren Modernisierungswelle 1990 trat 1994 die Erhaltungs- und Gestaltungssatzung der Stadt Dessau in Kraft: Damals wurde unter anderem die von Gropius gewünschte optisch reduzierte Farbgestaltung festgeschrieben.

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Bauhaussiedlung Dessau-Törten, Sietö 2 – 1927, Kleinring, 2012
© Stiftung Bauhaus Dessau / Foto: Tenschert, Yvonne, 2012

Ab den frühen 1990er Jahren wurde einige Häuser originalgetreu wiederhergestellt. Besichtigt werden können im Rahmen einer Führung das Haus Anton oder das Haus Mittelring 38, der heute von der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft e.V. genutzt wird. Seit 1994 sorgt die Erhaltungs- und Gestaltungssatzung dafür, dass bauliche Maßnahmen mit der historischen Substanz in Einklang gebracht werden.

Zur historischen Substanz der Siedlung gehören auch wesentlich Infrastrukturen der Moderne, wie ein zentral gelegener Hochspannungsmast und ein Pumpenhäuschen für die Abwasserentsorgung. Sie waren damals sichtbare Zeichen des Fortschritts.

Walter Gropius‘ Konsumgebäude aus dem Jahr 1928 bildet heute den Einstieg in die Siedlungsgeschichte. Eine Dauerausstellung informiert hier über die Idee, die Vision, die Baugeschichte und die Bewohner*innen. Gefördert wurde die Ausstellung vom Kreis der Freunde des Bauhauses e.V.