Freitagsgruppe: Kunst + Umwelt

Freitagsgruppe: Kunst + Umwelt

Was kann von Regionen, die stark vom Ende der modernen Industrie betroffen sind, gelernt werden? Was sind die Möglichkeiten des Umbruchs? Und wie können Kunst und Design einen sozioökologischen Wandel begleiten?

Das fragt die zehnte Ausgabe der Freitagsgruppe, in der diesmal die Bauhaus Study Rooms im Rahmen ihres diesjährigen Programms zu Gast sind.

Die Region um Bitterfeld-Wolfen hat mehrfach soziale, politische und ökologische Umbrüche erfahren. Seit den 1910er Jahren als die Industrialisierung die Landschaft und das Leben in der Region radikal veränderte, werden die Folgen für die Umwelt sichtbar. Die Hinterlassenschaften des Braunkohleabbaus und der chemischen Industrie prägen das Gebiet nicht nur heute, sondern werden es auch bis in eine nichtbestimmbare Zukunft hinein ökologisch und finanziell begleiten ­– damit etwa die Verbreitung im Boden lagernder Gifte eingedämmt werden kann.

Gleichzeitig gilt Bitterfeld-Wolfen heute als Vorzeigebeispiel für grüne Regeneration. Neue Industrien siedeln sich an. Anfang März dieses Jahres eröffnete etwa eine Raffinerie für Lithiumhydroxid in Wolfen. Lithium wird gerne als „weißes Gold“ bezeichnet und steht exemplarisch für die angestrebte Energiewende. Doch welche Folgen haben die ökologischen und ökonomischen Umbrüche für den sozialen und politischen Wandel in der Region? Und wie kann dieser Wandel sozial gerecht und demokratisch gestaltet werden?

Diesen Fragen widmet sich das Kunst- und Kulturfestival OSTEN, das im Juni dieses Jahres zum zweiten Mal in Bitterfeld-Wolfen stattfindet. Das Festival nimmt die Region zum Ausgangspunkt, um Perspektiven für einen sozioökologischen Wandel der Zukunft zu entwickeln. Gerade in einer Region, die wiederholt von Transformationsprozessen geprägt ist, lässt sich von den Erfahrungen der Umbrüche lernen. Gemeinsam mit Bewohner*innen und lokalen Kulturakteur*innen entwickeln eingeladene Künstler*innen Handlungsmodelle für eine nachhaltige Gestaltung des Lebensraums, bei dem aus dem Erbe heraus neue Ansätze entstehen.

Diese Freitagsgruppe nimmt die Kooperation der Bauhaus Study Rooms mit dem Festival OSTEN zum Ausgangspunkt, um über die Rolle von Kunst, Design und Kultur für die Gestaltung des sozialen und ökologischen Wandels zu sprechen. Davon ausgehend werden auch parallele Entwicklungen in anderen Regionen der Welt und Szenarien alternativer Zukünfte vorgestellt.

18 Uhr

Begrüßung und Einführung

Barbara Steiner, Direktorin und Vorständin der Stiftung Bauhaus Dessau und Vera Lauf, Wissenschaftliche Mitarbeiterin

18:10 Uhr

Das Festival OSTEN

// Impuls

Ludwig Haugk, Vereinsvorstand Kulturpark e.V.

Die zweite Ausgabe des Festival OSTEN richtet u.a. einen Blick auf Umweltfragen. Gemeinsam mit der Wolfener und Bitterfelder Bevölkerung werden im Festival Orte der Geschichte und Gegenwart aufgesucht, um über Zukunft nachzudenken. Erinnert wird etwa an einen der ersten Umweltproteste der DDR: Am 18. Mai 1984 trafen sich eine Handvoll Jugendlicher zu einem Protestmarsch, der von Bitterfeld über Greppin nach Wolfen führte. Sie wollten aufmerksam machen auf das Ausmaß der Zerstörung. Das Festival inszeniert zusammen mit lokalen Akteuren und internationalen Künstler*innen den Protestmarsch nach. Wie leben wir in den Ruinen der chemischen Industrialisierung heute?

18:30 Uhr

Lokale Partizipation

// Vortrag

Samo Darian, Programmleitung Aller.Land

Der Posaunenchor, in dem sowohl der Großvater als auch der Enkel mitspielen, das Bürgerhaus, in dem an den Wochenenden Kino gezeigt wird – all das sind bedeutsame Gelegenheiten und Orte, wo sich Menschen verschiedener Generationen und Hintergründe im Alltag treffen, und die sie direkt oder indirekt zu Teilhabe und gesellschaftlichem Engagement anregen. Doch: an vielen Orten gibt es sie immer weniger. Dies betrifft nicht nur die so genannten Transformationsregionen, aber auch, vielleicht in besonderem Maße.

Mit Beispielen aus neun Jahren Förderprogramm TRAFO und dem Programm Aller.Land.

18:50 Uhr

Lebendige Erinnerung

// Gespräch

Mit Sven Sachenbacher über die Bedeutung von Kultureinrichtungen für den sozioökologischen Wandel

Das Industrie- und Filmmuseum Wolfen sowie das Kreismuseum Bitterfeld sind lebendige Lern-, Kultur- und Erinnerungsorte, die sich als identitätsstiftende Einrichtungen verstehen. Wie kaum anderswo, lässt sich hier das Spannungsfeld zwischen Sternstunden des technisch-industriellen Fortschritts und gravierenden Folgen für Mensch und Umwelt darstellen. Die Museen blicken deshalb in die Vergangenheit, widmen sich aber ebenso Fragen der Gegenwart und Zukunft.

19:15 Uhr

Essen

Wie immer werden Sie mit einer kulinarischen Besonderheit überrascht.

20 Uhr

Widerständige Gemeinschaften

// Filmpräsentation

Einführung: Marina Otero Verzier, Architektin und Wissenschaftlerin

Filme:
Grupo de Investigação Territorial, Montanha Invertida, 2022 (15:49 Min)
Não às Minas, A film for Medios Libres con la Gira Zapatista, 2021 (9:12 Min)

Der Lithiumabbau hinterlässt sowohl in der Landschaft als auch in den Gemeinden tiefe Narben. Covas do Barroso in Portugal ist ein Beispiel für diese Zerstörung. Diese Region, die für ihre reiche biologische Vielfalt und jahrhundertealte Kultur bekannt ist, ist von der Zerstörung durch eine geplante Mega-Mine bedroht. Das Lithiumvorkommen in Covas gilt als eines der größten in Europa. Die Anwohner*innen wehren sich aktiv. Sie setzen sich für den Schutz ihrer sozialen und ökologischen Rechte ein, die auf der Suche nach einer „grünen Zukunft“ gefährdet sind. Denn die Gewinne kommen größtenteils anderen zugute.

Dieser Widerstand in Portugal ist Teil einer breiteren Bewegung, die Argentinien, Bolivien, Chile, die Tschechische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Spanien und viele andere Regionen umfasst.

20:30 Uhr

Der Poetische Akt

// Partizipative Performance

Gruppe Amereida-Ciudad Abierta und die Schule für Architektur und Design in Valparaíso

Die Performance „Der Poetische Akt“ ist Teil der poetischen Tradition der Schule für Architektur und Design in Valparaíso, Chile. Die Performance ist eine Art kollektives Spiel, das sich auf Erfahrungen des Alltags bezieht und ihnen eine neue Bedeutung zuweist. Ein Poet der Schule begleitet den Ablauf, während die Mitwirkenden spontane Handlungen ausführen, die im Moment des Spiels aktiviert werden – sie sind Ausdruck der Gegenwart, „hic et nunc“.

In der Schule in Valparaíso eröffnet der poetische Akt etwa akademische Aktivitäten, er ist aber auch der Auftakt für gestalterische Projekte, die die Bedingungen menschlicher Besiedlung von Land bestimmen.