Bauhaus Kolleg XII: Urban Footprints – Bata Villes
Ausstellung Oktober 2010 bis Juni 2011, im Bauhaus Dessau

Globale Markenproduzenten hinterlassen überall auf dem Globus ihren „Footprint“: ob Nike, Puma, Apple, Camper oder H&M- die Reichweite der Firmen ist weltumspannend- vom Hersteller, über Zulieferer, bis hin zu den Vertriebsnetzwerken und Shops. Ihrer transnationalen Arbeitsteilung und der damit verbundenen Unsichtbarkeit steht das Bemühen, identifizierbare Orte für ihre Adressaten auszubilden, gegenüber. Die Branding- Debatte hat die neue Rolle von Architektur und Design bei der Herstellung einer Markenidentität vielfach untersucht.
Dass diese Entwicklung nicht neu ist, sondern bereits in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts durch Firmen wie Bata eine internationale Ausprägung erfuhr, ist Gegenstand des Bauhaus Kolleg 2010/2011. Am Beispiel internationaler Satelliten der Firma Bata hat das postgraduale Programm im Vergleich mit aktuellen Markenproduzenten aufgezeigt, wie internationale Schuhproduzenten mit ihrem Fußabdruck Regionen und Städte verändern, spezifische Architekturen ausbilden, Lebensweisen beeinflussen und Konsummuster prägen.
Der Schuhfabrikant Thomas Bata gilt als mitteleuropäischer Henry Ford: Die Organisation der Fabrik, die Struktur des Unternehmens, die Architektur der Stadt, die Planung des Raumes und die Mechanismen der sozialen Kontrolle folgten denselben Prinzipien, die an den Abläufen der effizienten Produktion von Schuhen orientiert waren. Zlin, wo das Unternehmen seinen Hauptsitz hatte, ist eines der wenigen bis heute erhaltenen Beispiele einer funktionalen Stadt.
Bata war zugleich ein globaler Unternehmer: im Streben nach internationaler Marktführung in der Schuhproduktion initiierte die Firma weltweit Satelliten zur Schuhherstellung, die sowohl in der städtebaulichen als auch architektonischen Anlage dem Zliner Modell folgten. Mit dem Export der Technologien ging auch der Export eines Wohn-und Lebensmodells einher. Die Firma Bata agierte insofern als Modernisierer in eigener Sache, denn mit dem Schuh ging auch ein Versprechen auf Konsum und Wohlstand um die Welt.
Aufbauend auf den Ergebnissen einer internationalen Konferenz 2009 in Zlin hat das Bauhaus Kolleg zwei ausgewählte Bata-Satelliten, Batanagar in Indien und East Tilbury in Großbritannien, zum Gegenstand von Recherche und Konzeptarbeit nehmen und diese mit den aktuellen "urban footprints" von globalen Firmen wie Nike oder Camper ins Verhältnis setzen. Die Fallstudien stellen unterschiedliche Szenen der Globalisierung von Stadt, Architektur und Alltagskultur dar, die wichtige Einsichten in die Mechanismen der Produktion von Raum unter den Bedingungen einer globalisierten Wirtschaft und Arbeitsteilung bieten.
Gerade der historische Vergleich mit aktuellen Tendenzen wie Nike ermöglichte zudem neue Erkenntnisse in den Zusammenhang von Standardisierung des Bauens, architektonischer Moderne, Internationalisierung der Wirtschaft und globaler Konsumkultur. Im Ergebnis des Programms entstand eine Ausstellung, die die historische Perspektive auf die urban footprints des Bata-Unternehmens ins Verhältnis zu gegenwärtigen Raumstrategien globaler Unternehmen setzt.
- B A T A – A U S S T E L L U N G im Bauhausgebäude 2011
Die Ausstellung "City Inc. Bata Cities – Corporate Towns" war vom 23. Juni bis 31. August 2011 im Bauhausgebäude zu sehen und stellte die beiden Bata-Satellitenstädte vor, an denen die Kollegiaten in den vergangenen Monaten geforscht haben: Batanagar und East Tilbury.
Sie illustrieren zwei gegensätzliche Pfade der Transformation einer Fabrikstadt im 20.Jahrhundert – die eine geprägt von der ständigen Präsenz des namensgebenden Konzerns, die andere eher von dessen Abwesenheit. Die Schau bot nicht nur Einblicke in die jeweils lokalen Komplexitäten und Widersprüche des Lebens in einer Bata City, sie thematisierte auch die unsichere Zukunft dieser Fabrikstädte auch im Kontext gegenwärtiger Standortstrategien globaler Unternehmen – die noch heute allerorts ihre „urban footprints“ hinterlassen.
Zu sehen waren Fotografien, Grafiken und historisches Material, außerdem der eigens für die Ausstellung entstandener Film.
Konzeption und Recherche sowie das komplette Ausstellungsdesign entstand im Kolleg unter Anleitung der Advisors Regina Bittner, Wilfried Hackenbroich und Stefan Rettich. An der Ausstellung beteiligt waren Toni Liang Fu, Nishuben Mayurbhai Pandya, Patchara Kanmuang, Liu Chang, Alexandra Shcherbina, Nadezda Frolova, Mohd Muhiuddin Khan, Patricia Supelano, Radha Muralidhara, May Jalal Al-Saffar, Joanne Pouzenc, Shaida Ghomashchi, Michaela M. MacLeod, Juliana Silva, Sarah Philine Schneider, Markéta Březovská, Rubén del Rio, Raquel Silveira Chaves, Maria del Pilar Barbosa Guerrero, Susana Soares Saraiva, Stéphanie Fortunato und Shubha Deshmukh, das Projektmanagement lag in Händen von Ina Ross.
- B A T A – A U S S T E L L U N G im S AM, Basel
Die vom XII. Bauhaus Kolleg erarbeitete Ausstellung war so gelungen, dass sie vom 18. August bis zum 14. Oktober 2012 nach Basel ins Schweizerischen Architekturmuseum / S AM ausgeliehen wurde. Das S AM Schweizerisches Architekturmuseum zeigte ergänzend Material zur ‹Bata-Kolonie in Möhlin›, Schweiz – unter diesem Namen wurde bereits vor 20 Jahren (3.10.1992 – 22.11.1992) eine Ausstellung im Architekturmuseum Basel gezeigt (mit begleitender Publikation).
- Kuratorisches Team: Regina Bittner, Stefan Rettich, Wilfried Hackenbroich
- Kuratorische Mitarbeit: Joanne Pouzenc, Sarah Philine Schneider
- Ausstellungarchitektur: Thilo Fuchs – TATIN Design Studio
- Ausstellungsmagagement: Katja Szymzcak