MIES 125 – Ausstellungen und Geburtstagsparty anlässlich des 125. Geburtstages Mies van der Rohes 2011

2011 wäre Ludwig Mies van der Rohe 125 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass würdigte die Stiftung Bauhaus Dessau in Kooperation mit dem Mies-van-der-Rohe-Haus Berlin den dritten und letzten Bauhausdirektor mit den Mies-Projekten: Zwei Doppelaustellungen und der Mies-Nacht. 

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* D A S   M I E S – P R O J E K T   D E S S A U   I : Fotografien von Heidi Specker und Ludwig Glaeser

Vom 6. Juni bis 10. Juli 2011 wurden im Dessauer Meisterhaus Muche/Schlemmer der erste Teil einer zweistufigen Ausstellung gezeigt. Die Berliner Fotokünstlerin Heidi Specker, Professorin an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB), zeigte ihre künstlerische Annäherung an das Berliner Haus Lemke. Die ersten Planungen für die Villa des Druckereibesitzers reichen ins Jahr 1932 zurück, als Mies noch Bauhausdirektor in Dessau war.

Heidi Specker näherte sich dem Bau mit einer Mischung aus Wahrheitssuche, Empathie und Subjektivität. Sie wollte mit ihrer digitalen Kamera keine Architekturfotografie abliefern, sondern eine Erzählung über das Haus und seine einstigen Bewohner. Akribisch untersuchte sie die Formensprache der Moderne, um letztlich auch nach deren Gültigkeit zu fragen. Architektonische Themen haben die Künstlerin immer interessiert. 1996 trat die Absolventin der HGB mit ihren sogenannten „Speckergruppen“ ins Licht der Öffentlichkeit. Heute sind ihre Arbeiten in vielen internationalen Sammlungen vertreten.

Speckers Arbeiten wurden beim Mies-Projekt Dessau I mit Architekturfotografien von Ludwig Glaeser (1930–2006) kombiniert. Glaeser, der als Kurator für Architektur und Design und als Leiter des Mies-van-der-Rohe-Archivs zwischen 1963 und 1980 dem MoMA in New York verbunden war, stammt aus Berlin. Er schlug nach seinem Studium in den 1950er Jahren eine Brücke in die Vereinigten Staaten und brachte Jackson Pollock und andere amerikanische Künstler dem deutschen Publikum nahe. So entstand die Verbindung zum MoMA. In seinen Ausstellungen und als Lehrer an der Cooper Union Hochschule für Architektur und Design, New York, untersuchte er am Beispiel so unterschiedlicher Architekten wie Theo van Doesburg, Erich Mendelsohn, Louis Kahn und Frei Otto Ingenieurkonstruktionen und die Wirkung von Licht und Ton in Raumbildungen. Fotografie diente ihm nicht der professionellen Präsentation, sondern der persönlichen Wahrnehmung und Erkenntnis. 

Erstmals waren in Dessau Glaesers Aufnahmen aus den 1970er Jahren zu sehen, die Gebäude Mies van der Rohes in Amerika zeigen, darunter das Farnsworth Haus, die Lake Shore Drive Apartments und das Federal Center Chicago. Sämtliche Abzüge wurden von Kelton Labs in New York angefertigt, wo sich heute das Glaeser-Archiv mit über 5.000 Negativen befindet. Glaeser hatte mit Charles Kelton, der u.a. Abzüge für Künstler wie Annie Leibovitz angefertigt hat, über zwanzig Jahre zusammengearbeitet. Ludwig Glaesers fotografisches Werk ist in Umfang und Bedeutung noch zu entdecken.


  • D A S   M I E S – P R O J E K T   D E S S A U   I I : Werke von Rita Ernst und Eduard Ludwig

In der zweiten Ausstellung zu Mies van der Rohes 125. Geburtstag traf die Künstlerin Rita Ernst auf den Architekten und Bauhäusler Eduard Ludwig. Die Schönheit der Ordnung und der Proportionen in den Grundrissen von Ludwig Mies van der Rohe standen im Mittelpunkt der Ausstellung, die vom 18. Juli bis zum 28. August 2011 zu seinem im Dessauer Meisterhaus Muche/ Schlemmer zu sehen war. 

Die Schweizer Künstlerin Rita Ernst beschäftigt sich seit 2006 mit dem Ordnungssystem Miesscher Bauten und hatte sich dabei mit Grundrissen von Mies’ gebautem und ungebautem europäischen Werk befasst. Darunter befanden sich Arbeiten zum Haus Lemke (Berlin), zum Haus Lange (Krefeld), zum Haus Tugendhat (Brünn) und zum Barcelona-Pavillon. Sie zeigte eindrucksvoll, dass es möglich ist, das Neue Bauen in Konkrete Kunst zu überführen. Dabei ging es Rita Ernst keineswegs um Illustration: Die Grundrisse sind ihr vielmehr eine Inspirationsquelle für ihre minimalistische Malerei. Durch ihre bildnerische Arbeit werden die Ordnungssysteme und Proportionen von Grundrissen erfahrbar. „Es ist eine Suche nach größeren Ordnungen, und Mies van der Rohe ist ein wunderbares Beispiel, weil er vermutlich ein ähnliches Bedürfnis hatte. Er war aber auf jeden Fall auch jemand, der nach Wahrheit und Schönheit gesucht hat“, beschreibt die Künstlerin ihre Arbeit. Überraschend war, wie es Rita Ernst gelingt, das Miessche Farbklima einzufangen und seine Vorliebe für edle Materialien in ihre formal strengen Gemälde zu übersetzen.

Die Dessauer Ausstellung zeigt neben den bereits im Berliner Mies van der Rohe Haus vorgestellten Werken auch eine eigens für die Dessauer Ausstellung geschaffene Serie zur Trinkhalle. Der Originalgrundriss des von Mies van der Rohe entworfenen Kiosks befindet sich in der Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau. Die Trinkhalle war das einzige Mies-Gebäude in der Bauhausstadt; sie entstand 1931. Zu DDR-Zeiten wurde der weiße Kiosk am Rand der Meisterhaussiedlung abgetragen und ist im Rahmen der städtebaulichen Reparatur des Ensembles 2012 wiederentstanden. Gezeichnet hat den Grundriss Eduard Ludwig, der zwischen 1928 und 1932 am Bauhaus studierte und bei Mies sein Diplom ablegte. Ludwig gründete Ende der 1930er Jahre sein eigenes Büro und baute – Mies lässt grüßen – am liebsten Wohnhäuser im eleganten Bungalowstil. Dem Schöpfer des Berliner Luftbrückendenkmals, der auch an der Interbau 1957 im Berliner Hansaviertel beteiligt war, war der zweite Teil der Ausstellung im Meisterhaus Muche/Schlemmer gewidmet. Zu sehen waren neben dem Grundriss zur Trinkhalle auch sein Entwurf für das Dessauer Kaufhaus Borchardt, der allerdings unrealisiert blieb.


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D I E   M I E S – N A C H T : 48 Stunden Mies in Dessau und Berlin

Mit der Mies-Nacht am 12. und 13. August 2011 ist das Veranstaltungsprogramm zu Ehren des dritten und letzten Bauhausdirektors Ludwig Mies van der Rohe zu Ende gegangen. Über 11.000 Gäste hatten die Ausstellungen und Veranstaltungen zum 125. Geburtstag des weltberühmten Architekten besucht, die die Stiftung Bauhaus Dessau gemeinsam mit dem Berliner Mies van der Rohe Haus ausgerichtet hatte. Mittelpunkt der über 48 Stunden dauernden Geburtstagsparty am ersten Abend im Dessauer Meisterhaus Muche/Schlemmer war der Nachbau der Trinkhalle aus Polystyrol-Nachbau. Das zu DDR-Zeiten abgetragene Gebäude wurde erst 2012 wieder aufgebaut. In Berlin, dem Veranstaltungsort des zweiten Tages gab es dann ebenfalls Gespräche, Vorträge, Musik und all das, was zu einer richtigen Mies-Euphorie gehört.

Der Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, Philipp Oswalt, zog eine positive Bilanz des Mies-Jahres. „Die Besucherzahlen zeigen, wie hoch Mies und sein Werk heute geschätzt werden. Seine Idee vom ‚raumgefassten Zeitwillen‘, seine Architektur der poetischen Verdichtung und seine sprichwörtliche Liebe zu Details faszinieren noch immer. Für die Stiftung wird es wichtig sein, seine Arbeit als die des dritten und letzten Bauhausdirektors weiter zu erforschen. Wenn man so will, liegen die Wurzeln für all das, was er später am IIT in Chicago lehrte, schon in seinem Dessauer Unterricht“, so Oswalt.