Michael Siebenbrodt:
Das frühe Bauhaus im Spannungsfeld von Novemberrevolution und Gründung der Weimarer Republik 1919–1922
Walter Gropius gehörte Ende 1918 zu den Mitbegründern des Arbeitsrates für Kunst und der Novembergruppe in Berlin. Aus diesen Diskussionsforen entwickelte er im Frühjahr 1919 Manifest und Programm des Staatlichen Bauhauses. Einige Bauhäusler*innen, die selbst in Arbeiter- und Soldatenräten mitgewirkt oder an revolutionären Ereignissen von Kiel bis Budapest teilgenommen hatten, engagierten sich bei Protesten gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch in Weimar 1920 mit Plakataktionen. Gropius äußerte sich dazu als Direktor einer staatlichen Hochschule mit öffentlichen künstlerischen Statements. Sein Engagement wurde durch das Auftreten des Studierendenvertreters Hans Groß konterkariert, der öffentlich für einen Kurswechsel des Bauhauses mit nationalistischen und rechtskonservativen Werten plädierte. Vorwürfe wegen kommunistischer Aktivitäten am Bauhaus hatten Gropius bereits Ende 1919 dazu veranlasst, jegliche politische Betätigung am Bauhaus zu verbieten. Bis heute fast unbekannt sind Karl Peter Röhls Arbeiten für die Erfurter Halbmonatsschrift der KPD für proletarische Kultur Prolet mit expressionistischen Titelblättern von 1919. Ebenso die erste KPD-Mitgliedschaft des Bauhaus-Studenten Johannes Ilmari Auerbach von 1919. Mit befreundeten Künstler*innen gründete dieser 1920 eine kommunistische Landkommune in Holstein und organisierte nach seiner Rückkehr aus Paris 1933 als KPD-Mitglied in Hamburg eine antifaschistische Widerstandsgruppe.
Michael Siebenbrodt ist seit 2017 freischaffender Bauhaus-Experte. Seit 1974 engagiert sich der studierte Architekt in der Bauhausforschung, von 1985 bis 1986 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftlich-Kulturellen Zentrum Bauhaus Dessau, 1987 bis 1988 Leiter des Bereichs Sammlung am neugegründeten Bauhaus Dessau und von 1992 bis 2017 Leiter des Bauhaus-Museums Weimar (heute Klassik Stiftung Weimar).