Kolloquium: Städtebauliche Reparatur — Neue Meisterhäuser

Am 21. November 2014 fand in der Stiftung Bauhaus Dessau das Kolloquium "Städtebauliche Reparatur – Neue Meisterhäuser" statt.
Die kleine Siedlung für die Bauhaus-Meister in Dessau spiegelt in besonderer Weise neun Jahrzehnte deutscher Zeit- und Architekturgeschichte wider: begeisterte Rezeption und radikale Ablehnung der Moderne, entstellende Veränderungen und Kriegszerstörung, Wiederentdeckung der Moderne, minutiöse Denkmalpflege und Welterbeliste. Die Meisterhäuser bezeugen überdies die deutschen Debatten um den angemessenen Umgang mit zerstörten oder veränderten Baudenkmalen. Mit der städtebaulichen Reparatur der Gesamtanlage der Meisterhäuser endet eine bald 20 Jahre währende, aktive Substanzsicherung und Wiedergewinnung eines angemessenen Erscheinungsbildes. Die diesen denkmalpflegerische Prozess begleitenden Diskussionen kreisten um zwei Kernfragen: Wie viele der geschichtsträchtigen Veränderungen muss die Welterbestätte behalten, um ihr bewegtes, exemplarisches Schicksal weiterhin sichtbar zu bezeugen? Wie weit muss die Wiedergewinnung des Erscheinungsbildes dieses von Bauhauskünstlern geschaffenen Kunstwerkes gehen?
Nachdem 2002 Instandsetzung und Restaurierung der fünf Doppelhaushälften abgeschlossen war, intensivierte sich die Diskussion um den Umgang mit dem Fragment. Am Scheideweg zwischen Erhaltung des Status quo und originalgetreuem Wiederaufbau der fehlenden Teile wurde ein dritter Weg beschlossen. In einer «Aktualisierung der Moderne» sollte zeitgenössische Architektur die Fehlstellen in der Gesamtanlage füllen und damit insbesondere das städtebauliche Erscheinungsbild reparieren. Das Finden dieses dritten Weges war abermals von verschiedenen Formen öffentlicher und interner Diskussion geprägt.
Von 2010 bis 2014 wurde die Planung der Berliner Architekten Bruno Fioretti Marquez realisiert. Ihre neuen Meisterhäuser sowie Mauer und Trinkhalle sollen die unscharfe Erinnerung an die verloren gegangenen Teile der Meisterhaus-Siedlung abbilden. Wie bei einer Gemälderetusche sind die Idee und der ikonographische Gehalt des Kunstwerkes wieder rezipierbar, ohne dass Intaktheit vorgespiegelt wird. Zugleich sind die hinzu gefügten Bauten eigenständige Kunstwerke von 2014, was durch die Arbeiten von Olaf Nicolai im Inneren der Häuser verstärkt wird.
Das Ergebnis ist keine Rekonstruktion, sondern stellt sich in eine Reihe mit einigen bedeutenden deutschen Wiederaufbauprojekten der 1950er Jahre und aktueller Projekte, bei denen Zerstörungsspuren nicht überschrieben, sondern zeitgenössisch ergänzt wurden. Nach der Fertigstellung und Eröffnung der Neuen Meisterhäuser im Mai 2014 sollen in diesem Kolloquium insbesondere die denkmalpflegerischen Entscheidungen und deren praktische Umsetzung vorgestellt und reflektiert werden. Dabei kommen die lokalen Akteure mit Arbeitsberichten als auch national und international bekannte Experten, die das Projekt beratend begleitet haben, mit Reflexionen über Prozess und Ergebnis zu Wort.
Programmablauf des Kolloquiums am 21. November 2014: