Friedrich Engemann, Bauhauslehrer

Ausstellung 1998

Friedrich Engemann (1898-1970) war Bauhauslehrer, stellvertretender Bauhausdirektor und Architekt. Als Dozent an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein prägte er Designentwicklung in der DDR mit. Anlässlich seines 100. Geburtstages widmete die Stiftung Bauhaus Dessau dem Bauhauslehrer Friedrich Karl Engemann eine Ausstellung. Vom 1. Juli bis 20. September 1998 wurde eine Auswahl aus dem Nachlass Engemanns zu Person und Werk im Bauhausgebäude gezeigt.

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  • Text zur Ausstellung von LUTZ ScHÖBE (Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Bauhaus Dessau und Kurator der Ausstellung)

Am legendären Bauhaus wurden in der kurzen Zeitspanne von 14 Jahren die Grundlagen des modernen Designs erarbeitet. Die Erziehung eines “neuen” Menschen für eine “neue” Gesellschaft im Verbund mit einer ästhetischen und sozialen Synthesevorstellung gehörte dabei zu den fundamentalen Zielsetzungen.

Dieses Ideal wurde maßgeblich von jenen Künstler-Lehrern getragen, deren Namen uns heute so geläufig sind. Als hauptamtliche Form- und Handwerksmeister, später als Professoren, deckten sie mit ihrer künstlerischen und handwerklichen Grundlagenausbildung den Hauptanteil der institutsstrategisch zentralen Lehr- und Unterrichtsveranstaltungen ab. Bisher von der Forschung kaum wahrgenommen und bislang nur unzureichend reflektiert existierte daneben jedoch ein breites Spektrum begleitender Unterrichts- und Lehrangebote in Basisfächern sowohl als Bestandteil des sogenannten Vorlehreunterrichtes als auch im Unterricht in den Werkstätten bzw. in den fortgeschrittenen Semestern.

Teils obligatorisch, teils fakultativ wurde dieser Unterricht in Naturwissenschaften, Psychologie, Soziologie, Bau- und Ingenieurwissenschaften, Ökonomie usw. von hauptamtlichen, mehr jedoch von nebenamtlichen Lehrkräften und Gastdozenten erteilt. Sie standen oft im Schatten der großen Meister, obgleich sie mitunter einen nicht unwesentlichen Einfluss auf das Selbstverständnis und die Selbstverständigung der Bauhäusler ausübten und durch ihren Lehranteil eigenständig zur Zielverwirklichung des Bauhauses beitrugen.


Zu jenen Bauhauslehrern der zweiten Reihe gehörte auch der Architekt und Gewerbeoberlehrer Friedrich Karl Engemann. Mit besten Voraussetzungen einer langjährigen handwerklichen und pädagogischen Ausbildung wurde er 1927 Mitglied der Bauhausgemeinschaft, wo er zunächst ein Studium aufnahm und schließlich als Lehrer bis in die Leitungsebene der Institution vorstiess. Nach dem Krieg bestimmte Engemann nicht unwesentlich den Entwicklungsweg der Burg Giebichenstein in Halle sowie die Designentwicklung in der DDR mit.

Den Wirrnissen der Zeit ist es zuzuschreiben, dass bis zum heutigen Tage nur wenig Materialien überliefert sind, die geeignet erscheinen, das vielfältige Wirken Engemanns als Lehrer und Architekt zu belegen. Der Nachlass Friedrich Engemanns aus seiner fast zwanzigjährigen Tätigkeit an der Burg Giebichenstein gilt heute mehr oder weniger als verschollen. Lediglich der im Familienbesitz verbliebene Nachlass des ehemaligen Bauhauslehrers liegt heute noch rudimentär vor und konnte vor einiger Zeit in die Sammlung der Stiftung Bauhaus Dessau integriert werden.

Das 1998 in einer Auswahl erstmals anlässlich seines 100. Geburtstages präsentierte Material zu Werk und Person Friedrich Karl Engemanns umfasste Übungen, die Engemann während seines Bauhausstudiums anfertigte, eine Vielzahl an Dokumenten sowie Entwurfszeichnungen für Architektur, Möbel und Inneneinrichtungen. Nahezu gänzlich fehlten Materialien, die Engemanns vielfältige pädagogischen Aktivitäten reflektieren. Eine Gruppe von Übungen – zumeist Farb- und Formenstudien – belegten Engemanns Teilnahme am Vorkursunterricht, den u. a. Wassily Kandinsky für das erste Semester gab. Weitere Übungen, so aus dem Unterricht bei Oskar Schlemmer, weisen überdies Engemann als Bauhausschüler aus.


Von besonderem dokumentarischen Wert erwiesen sich insbesondere die Protokolle der Bauhaus-Meisterratssitzungen sowie der Beiratssitzungen – des damaligen Verwaltungsrates – an denen Engemann als Lehrkraft und gewähltes Mitglied teilnahm. Die Existenz der Protokolle aus dieser Zeit (von 1929 – 1933) im Original war bislang nicht nachzuweisen. Als aufschlussreich erwies sich auch der erhaltene Schriftverkehr, den Engemann sowohl mit den Bauhäuslern als auch mit dem Sekretariat des Bauhausdirektors in Studienangelegenheiten, Vorbereitungen zum Unterricht usw. führte.

Aus diesen Materialien geht u. a. hervor, dass Engemann sowohl in der Hannes Meyer-Ära als auch unter dem Direktorat von Ludwig Mies van der Rohe das Vertrauen der Bauhausleitung genoss. Dieses Vertrauen, sein allgemeines Engagement in Bauhausfragen und seine Fachkompetenz führten dazu, dass Mies van der Rohe sich teilweise von Engemann vertreten ließ und ihn dazu befugte, Bauhauszeugnisse neben ihm abzuzeichnen.

Der Unterricht, den Engemann in Fächern wie darstellende Geometrie, technische Mechanik, Bau- und Ausbaukonstruktion sowie im konstruktiven Entwerfen gab, ist heute – auf Grund der dünnen Materiallage – im Detail nur schwer zu rekonstruieren. Belegt sind einige Lehrtafeln sowie studentische Architektur- und Möbelentwürfe, die unter seiner Aufsicht erarbeitet wurden und einen komplexen Gestaltungsansatz erkennen lassen. Engemann schien einen engen Kontakt zu den Bauhäuslern, die ihn auch in seinem Wohnhaus besuchten, gepflegt zu haben.


Zahlreiche Möbel- und Architekturentwürfe lassen Engemanns Qualitäten als Architekten erkennen. Die Entwurfspalette reicht dabei von den Geist strikter Sachlichkeit und kompromissloser Funktionalität der Bauhausproduktion unter Hannes Meyer verpflichteten Entwürfen aus der Zeit um 1929/30 (Entwurf für das Anhaltische Druckhaus in Dessau 1929) über Gestaltungslösungen, die eher einer “moderaten Moderne” entsprechen (eigenes Wohnhaus, 1930) bis zu spezifischen Formauffassungen, die traditionsorientiert den handwerklichen Charakter der Herstellung zu betonen suchten und mit einem politischen Irrglauben, den Engemann in den 30er Jahren unterlegen war, einhergingen. Der stets komplexe Gestaltungsansatz Engemanns, der zu Beginn der 30er Jahre unter der Leitung von Mies van der Rohe die weitere Spezialisierung der Bauhauswerkstätten auf die Erfordernisse der Architektur mittrug, ist wesentlich am Wohnhaus Engemann nachvollziehbar, das der Architekt und Bauhauslehrer 1929/30 samt Inneneinrichtung entwarf und in den Bauhauswerkstätten ausführte.

Als Bestandteil des Nachlasses von Friedrich Engemann sind ebenso Arbeiten überliefert, die Engemanns Tätigkeit nach 1945 beleuchten. Dazu gehören Dokumente, welche die Wiederbelebungsversuche des Bauhauses durch Hubert Hoffmann, Friedrich Engemann und weiterer ehemaliger Bauhausangehöriger reflektieren und mehr noch diejenigen Dokumente, die Engemann als streitbaren Lehrer und Mitgestalter an der Entwicklung der traditionsreichen Burg Giebichenstein in Halle ausweisen. Dieser Nachlaßpart ist jedoch nur rudimentär vorhanden und keineswegs dazu geeignet, Engemanns unbestreitbare Rolle bei der Entwicklung von Architektur und Formgestaltung in der DDR durch eigene praktische Entwurfsleistungen, über die Lehre, als Organisator und Verantwortlicher in vielen Ämtern und gesellschaftlichen Positionen, zu vermitteln.